Konkret: Honegger

Gottfried Honegger, Ausstellung Galerie Römerapotheke

Vernissage 8. Juni 17.00

Ausstellungsdauer 9. Juni bis 22. Juli 2017

Gottfried Honegger (1917 – 2016) war einer der bedeutendsten Schweizer Künstler. Mit seinem Wirken und seiner Kunst hat er nicht nur die Stadt Zürich mitgeprägt und bereichert, sondern auch in Paris, Cannes und New York seine Spuren hinterlassen. Sein gesamtes Leben und Schaffen spielte sich in einer inneren Zerrissenheit, der Dualität zweier Kulturen ab.

Die Kultur seiner Mutter wie er sie beschrieb – eine bäuerliche, archaische Welt voller Empfindsamkeiten, Freuden, Ängste und Sinnlichkeiten im ländlich lateinischen Engadin, bildete seine Emotionalität und Verbundenheit zur Natur. 

Die andere, die seines Vaters – eine städtische, germanische, «Zürcher-zwinglihafte» Kultur bildete einen Honegger der Konstruktion und des Rationellen. Mit den Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegungen, in welchen sein Vater aktiv war und seiner persönlichen Erfahrungen im Aktivdienst am Rand des zweiten Weltkriegs, gesellte sich ein dritter Honegger hinzu, der eines Humanisten, genossenschaftlich denkenden Demokraten, stets der Freiheit und Gerechtigkeit verpflichteten Aktivisten.

Nach den ersten Jahren im Engadin wuchs er im Zürcher Kreis vier auf und besuchte die Kunstgewerbeschule. Seine erste Frau Warja Lavater, eine erfolgreiche Illustratorin, inspirierte ihn zum Grafikberuf. Sie sei die gewesen, die ihn das Sehen und Hören lehrte. Doch selbst als sehr erfolgreicher, kommerzieller Grafiker hing sein Herz mehr an seiner Malerei, die er stets nebenbei betrieb, als an seinem Brotberuf.

Zum Bruch kam es schliesslich in New York. Einerseits widerte ihn der aufkommende kapitalistische, amerikanische Konsum an. Andererseits nährten die Freundschaften mit Marc Rothko, Barnett Newman oder auch Sam Francis seinen Wunsch, vollkommen auf die Kunst zu setzen. Es war die Zeit der revolutionären Umbrüche, die sich an den Rändern der Gesellschaft und inmitten der Kunstszene bereits abzeichneten. 

Die Familie Honegger zog von New York nach Paris, wo Gottfried eine Künstlerkarriere startete, die ihresgleichen suchte. Ursprünglich malte Honegger Landschaften und Portraits, schuf also gegenständliche Kunst. Nach der Erfahrung des zweiten Weltkriegs und Hitlerdeutschland mit seinem Kreuzzug gegen «Entartete Kunst» begriff er, dass die nicht gegenständliche Kunst, also die abstrakte Kunst, den Gefährlichen gefährlich ist.

Gegenständliche, «figurative Kunst gibt dem Betrachter keine Freiheit», denn der politische Grund abstrakte Kunst zu verfolgen, sei dem Menschen das Denken zu verbieten. 

Denn: «Je näher die Kunst an der Natur ist, desto unfreier ist der Betrachter. Er wird damit  zum reinen Konsument.» Die Abstrakte Kunst hingegen binde die Freiheit des Betrachters mit ein, er werde durch seine Interpretation zum Mitkünstler des Werkes. Deshalb sei die abstrakte Kunst eine demokratische, während die realistische eine feudalistische, diktatorische Kunst sei.

Gottfried Honegger war ein Vertreter der konstruktiv-konkreten Kunst: einer Philosophie, die die individuelle Handschrift eines Künstlers durch klare Geometrie und monochrome Farbgestaltungen überdeckt. Eine Weltsicht dem Gefühl geschuldet, es gehe nicht um ihn als Künstler sondern stets um die Gesellschaft und das Miteinander.

Nebst Paris, von wo er unzählige internationale Ausstellungen bestritt und vom französischen Kultusminister Jack Lang mit dem Ordre des Arts et des Lettres ausgezeichnet wurde, arbeitete und lebte er ab Mitte der Achzigerjahre vor allem in Zürich. Er schuf viele Werke im öffentlichen Raum, welche zusätzlich zu unserer Ausstellung in einem Skulpturenspaziergang durch die Stadt Zürich gebündelt werden.

Gottfried Honegger erhielt 1987 den Zürcher Kunstpreis. Im selben Jahr war er Mitbegründer der «Stiftung für Konstruktive und Konkrete Kunst Zürich». Zusammen mit Sybil Albers-Barrier gründete er 1990 in Mouans-Sartoux an der französischen Côte d’Azur den Raum der konkreten Kunst und richtete dort 1997 das Kinderatelier Kunst, Forschung, Imagination ein. Für die Schenkung Donation Albers-Honegger schufen die Architekten Gigon und Guyer dort einen 2004 eingeweihten Museumsbau l’espace de l’Art Concret.

«Die konkrete Kunst will kein Bild machen, sondern eine gesellschaftliche Kultur», sagte Gottfried Honegger und in diesem Sinne muss seine Kunst in den Lebensalltag der Gesellschaft integriert werden. 

 

Biografie

1917 Geburt in Zürich – Honegger wäre also in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Vater Gottfried Honegger aus Zürich Riesbach war Maurer, seine Mutter Georgina Margadant aus Sent, Graubünden, Serviertochter. Als Baby wird der Sohn nach Sent zur Grossmutter gebracht und lebt dort, romanisch sprechend, bis zu seinem 6. Lebensjahr. Diese Zeit prägt ihn, seine Biographie und sein Werk zeitlebens. 1923 Umzug zu den Eltern nach Zürich in eine kleine Wohnung bei der Kaserne. Zeiten schweren Heimwehs nach Sent. 1932: Eintritt in die Kunstgewerbeschule Zürich und Lehre als Schaufensterdekorateur beim Lebensmittelverein St. Annahof in Zürich. Kauft ein erstes Bild, eine Radierung von Picasso. 1934: Arbeit als freier Schaufensterdekorateur/Grafiker überall, wo es Arbeit hat. 1938: Gründung eines eigenen Ateliers für Grafik, Dekoration und Fotografie zusammen mit der Warja Lavater, die ihre Ausbildung zur Grafikerin bei Ernst Keller an der Kunstgewerbeschule Zürich gemacht hat. 1939: Gottfried Honegger siedelt nach Paris und wird freier Maler. Erzwungene Rückkehr in die Schweiz und in die Armee. Er nimmt mit Warja Lavater das grafische Atelier wieder auf und die beiden heiraten. Geburt der beiden Töchter Bettina und Cornelia. 1948 Dozent an der Kunstgewerbeschule Zürich. 1958: Umzug nach New York, Freundschaften mit Sam Francis, Marc Rothko, Al Held, Ludwig Sander, Andy Warhol usw. 1959: Nach seiner Ausstellung in der Martha Jackson Gallery in New York, in der zum ersten Mal die Tableau-Reliefs gezeigt wurden, entscheidet er sich, auch  auf Zutun seines Künstlerfreundes Sam Francis, seine Tätigkeit als Grafiker aufzugeben und sich ausschliesslich dem freien Schaffen zu widmen.

Es folgten zahlreiche Ausstellungen in namhaften Galerien und Museen, die ihm zu internationaler Anerkennung verhalfen: 

1975 vertritt er Frankreich an der Sao Paulo Biennale;

1978 Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris;

1986 Helmhaus Zürich

1999 Fondation Cartier Paris

2007 Retrospektive im Haus Konstruktiv Zürich

2015 Retrospektive im Centre Pompidou, Paris

Gottfried Honegger ist aber nicht nur einflussreicher Künstler, er ist auch ein engagierter Vermittler der konkreten Kunst im erweiterten Sinne.

1990 gründete er zusammen mit Sybil Albers-Barrier den Espace de l’Art Concret in Mouans-Sartoux, Südfrankreich. 1998 folgte der Bau der Kinderateliers „Atelier pédagogiques“ dies, so Honegger, mit dem Ziel:

– „apprendre à regarder, car regarder est un acte créatif“

Im Jahr 2000 erfolgt die Schenkung der Sammlung Honegger-Albers an den französischen Staat. Und 2003 der Bau des Museums in Mouans-Sartoux durch die Zürcher Architekten Annette Gigon und Mike Guyer. Aktuell ist ein weiterer Museumsbau in Planung mit pädgogischen Ateliers für behinderte Kinder.

Das unerschöpfliche Schaffen und Engagement Gottfried Honeggers wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt:

1985 Ernennung zum Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres

1987 Kunstpreis der Stadt Zürich

1992 Ehrenmedaille der Stadt Rennes, Ehrenmedaille der Akademie von Poitiers

1996 Paris Ernennung zum Commandeur des Arts et des Lettres

1999 Paris Ernennung zum Chevalier de la Légion d'Honneur

Für Gottfried Honegger gab es keinen Gegensatz zwischen freier und angewandter Kunst. Im Gegenteil: sie sind untrennbar miteinander verbunden.

Der Auftrag, Teppiche zu entwerfen, war für einen Künstler wie Honegger daher  sehr reizvoll. Der Künstler interessiert sich denn auch stark für die Herstellungsprozesse, er hat sich immer auch als „Handwerker“ verstanden. Und deshalb lotete er gerne die technischen Möglichkeiten aus, mit denen sich seine Entwürfe umsetzen liessen, um eine dem Medium entsprechende Wirkung zu erzielen. Weitere Beispiele dafür sind die Glasfenster, die er für sakrale Gebäude gestaltet hat (Chartres, Lièges usw), aber auch die zahlreichen Experimente mit druckgrafischen Techniken und die Multiples, bis hin zu Krawatten, Schals, Tellern.

Durch die Auflösung des Verhältnisses von Figur und Grund in Fläche und Farbe wird jegliche hierarchische Ordnung aufgehoben.

Diese Aufhebung ist ein wichtiger Schritt im Werk von Honegger  hin zum Objektiven und damit zur Ausschaltung der künstlerischen Handschrift.

Damit ist der Herstellungsprozess des Kunstwerkes faktisch nicht mehr an den Künstler gebunden, sondern kann an Dritte übertragen werden.

2004  Ausstellung im Museum Tinguely, Basel.

Ausstellung Espace la Verrière, Hermès, Brüssel.

2005  Edidion eines Porzellan-Service, Galerie Jean Brolly, Paris.

Edition von Teppichen, herausgegeben von TISCA, Tischhauser & Co.AG.,

Bühler. In diesem Jahr ziehen Gottfried Honegger und Sybil Albers nach Zürich zurück. An verschiedenen Orten der Stadt findet er immer wieder neue Ateliers, bis er am Schluss seinen definitiven Arbeitsraum im Zürcher Seefeld wählt.

Seit Beginn seiner Rückkehr nach Zürich nimmt die innige Freundschaft mit Max Frisch bis zu dessen Tod einen wichtigen Platz in seinem Leben ein.

2006  Skulpturen-Ausstellung im Park des Palais Royal, Paris, organisiert durch Kulturminister Renaud Donnededieu de Vabres.

Installation einer Skluptur im Autokreisel Hohenems/Österreich

2007  Ausstellungen zum 90. Geburtstag in der ETH Zürich, im Haus Konstruktiv Zürich und im Museum Liener, Appenzell.

2015  Ausstellung im Löwenbräu Zürich / Galerie Bob van Orsouw, kuratiert durch Galerie Römerapotheke

2015  Solo-Ausstellung / grosse Retrospektive im Centre Pompidou, Paris

2016 Filmpremiere im Le Paris, Zürich, Regisseur Erich Langjahr

2016 Hinschied Gottfried Honegger im Januar, in Zürich

2016  Werke an „Drawing Now Paris“ und „PULSE“ Miami.

Honegger kannte „seine Stadt“ bestens. Dutzende seiner Werke stehen im öffentlichen Raum, etwa an der ETH, beim Opernhaus usw. Zeitweilig lebte und arbeitete er in Gockhausen, zweitweiig im Seefeld. Das Dolder Bad kannte er bestens und ging dort hin und wieder mit Max Frisch hin, um sich über Gott und Welt, vor allem aber Kunst und Politik zu unterhalten.

 

 

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