J. Gunstheimer MENTALE DUELLE: 1. Teil: Selbstbetrachtung eines Bildes

Adsuesce etiam iis, quae fieri posse desperas. Übe dich auch in den Dingen, an denen du verzweifelst." Selbstbetrachtungen XII, 6, Marc Aurel.
 
Mentale Duelle
Jana Gunstheimers neuste Werke in der Galerie Römerapotheke
 
Kunst ist mimetisches Verhalten, das zu seiner Objektivation über die fortgeschrittene Rationalität — als Beherrschung von Material und Verfahrungsweisen — verfügt (Theodor Adorno). In diesem Sinn ist Jana Gunstheimer eine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Bild und Wirklichkeit, der Realismus ist eine andere Antwort. Was hier passiert, lässt sich als Subversion des neuzeitlichen, dualistisch-hierarchisch definierten Subjekt-Objekt-Verhältnisses durch eine künstlerisch inszenierte Umkehrung der zentralperspektivischen Blickauffassung beschreiben, sie kann, muss aber nicht als Kritik an der kontemplativen Selbstbetrachtung des aufgeklärten Subjekts aufgefasst werden. Schon in ihren früheren Arbeiten operierte die Künstlerin mit möglichen Wahrheiten, indem sie geschickt vergangene oder aktuelle Ereignisse aufgreifen und diese mit frappierender Logik ins Reich des Erfundenen weiterspann. Dabei bedient sie sich der Mittel der Ironie und des schwarzen Humors in einer solch feinen Dosierung, dass in ihrer Fantasie Erdachtes nicht unmittelbar sichtbar wird, sondern als brillante künstlerische Formulierung in diesem Spiel mit Absurditäten irritiert und amüsiert. Und nun, in ihren neusten Arbeiten, werden diese Apperzeptionsansätze noch erhöht, indem – basierend auf ihren letzten „Methoden der Zerstörung“, danach „Thank God it’s Abstract“  Zyklen – das Prinzip der Selbstbetrachtung über den äusseren Aspekt daraus besteht, dass man das Reaktionsresultat der Umgebung wahrnimmt, was durch die eigene, nach aussen freigesetzte Aktivität verursacht wurde. Eine Voraussetzung der 'Beziehung' zu einem Kunstwerk, so fährt Adorno im Aphorismus 139 fort, sei aber die Bereitschaft, dem Kunstwerk selbst etwas zu geben: Phantasie. Aber nicht nur ein ästhetisches Sensorium ist die Voraussetzung für das Verstehen des Kunstwerks, sondern auch das, was Pierre Bourdieu das "kulturelle Kapital" nennt, d.h. die Bereitschaft, sich auf den (geschichtlich überlieferten) Diskurs Kunst, die Tradition, der er entspringt, einzulassen:
"Der von den Ästhetikern verbreitete Glaube, das Kunstwerk wäre, als Gegenstand unmittelbarer Anschauung, rein aus sich heraus zu verstehen, ist nicht stichhaltig. Er hat seine Grenze keineswegs bloß an den kulturellen Voraussetzungen eines Gebildes, seiner 'Sprache', der nur der Eingeweihte folgen kann. Sondern selbst wo keine Schwierigkeiten solcher Art im Wege sind, verlangt das Kunstwerk mehr, als dass man ihm sich überlässt.“ Jana Gunstheimer, mit diesen neusten Arbeiten, wird uns allen nur den Weg weisen. Gehen müssen wir ihn selbst. So gemein?
 
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